Predigt von Diakon Patrick Martin zu Johannes 21,18 am 3. Ostersonntag im Lesejahr C
Überblick:
Einen kleinen Teil unseres Lebens sind wir handelnde.
Der größte Teil unseres Lebens wird an uns gehandelt.
Können wir das annehmen?
Müssen wir deshalb in einer Opferrolle verharren?
Können wir Geschenke annehmen?
Können wir Vergebung annehmen?
Können wir Hilfe annehmen?
Können wir Liebe annehmen?
Einleitung:
Christus ist auferstanden Halleluja, er ist wahrhaftig auf erstanden.
Der Tod ist besiegt.
Du bist frei.
Du bist erlöst.
Kannst du deine Erlösung,
deine Befreiung
auch annehmen?
Wie hat dieser Glaube
an die Auferstehung
dein Leben in der vergangenen Woche geprägt?
Predigt
Fühlst du dich auch manchmal hilflos?
Ausgeliefert?
Ohnmächtig?
Du möchtest an deiner Situation,
oder am besten sogar am Weltgeschehen etwas ändern
und du bist machtlos?
Vielleicht kannst du wegen
Alter oder Krankheit
so vieles nicht mehr tun,
was dir wichtig ist.
Vielleicht gehen deine Kinder
oder auch deine Eltern
Wege, die du nicht mehr beeinflussen kannst
und dir falsch erscheinen.
– Ausgeliefert!
– Hilflos!
Wie gehen wir nun damit um?
In meiner Studienzeit hatte ich meinen Beichtvater und geistlichen Begleiter gebeten, für mich eine Bibelstelle zu suchen, die mich in meinem Leben begleiten soll.
Er hat einige Tage darüber verstreichen lassen und gebetet.
Dann nannte er mir Joh 21.18: Die Stelle, die wir gerade im Evangelium gehört haben.
Jesus sagt zu Petrus:
Amen, amen, ich sage dir:
Als du jünger warst, hast du dich selbst gegürtet
und gingst, wohin du wolltest.
Wenn du aber alt geworden bist,
wirst du deine Hände ausstrecken
und ein anderer wird dich gürten
und dich führen, wohin du nicht willst.
Seit fast 40 Jahren begleitet mich nun dieser Vers und spricht immer wieder neu in mein Leben.
Jesus macht Petrus auf zwei Phasen des Lebens aufmerksam:
Das Aktiv sein, die Tat, Selbstbestimmung und Einfluss nehmen
und schließlich das Passiv sein, das ausgeliefert sein.
Im Fall von Petrus sogar der Tod am Kreuz.
Beides ist Nachfolge Christi: Jesus war aktiv: Er hat geheilt, gepredigt, Einfluss genommen, die Jünger ausgesandt.
Aber was war das größte und wichtigste in seinem Leben?
Das ausgeliefert sein:
Sein Tod am Kreuz,
mit dem er uns erlöst hat,
mit dem er den Tod besiegt hat
und seine Auferstehung.
Er ist passiv, ist Opfer
– dem Tun anderer ausgeliefert.
Bewohnern in den Seniorenheimen habe ich immer wieder gesagt, wie wichtig sie für Pegnitz und die Welt sind,
wenn sie ihr Leiden mit dem Leiden von Jesus vereinen und als Gebet für diese Welt nehmen. Gibt es etwas Wichtigeres und Größeres für uns?
Ja – schön gesagt!
Mehr und mehr erlebe ich es nun am eigenen Leib.
Das Virus, das vor über 20 Jahren ME/CFS bei mir ausgelöst hat, diese teuflische Krankheit,
die schon nach kleinen Anstrengungen
ein bis zwei Tage später zu einem Zusammenbruch des ganzen Systems führt,
und mich für Tage oder Wochen lähmt
und mit Schmerzen ans Bett fesselt. In den letzten Jahren hat es sich immer mehr verschlechtert.
Ich musste nun
– eigentlich viel zu spät, die Notbremse ziehen,
ich kann meinem Beruf als Bauchredner nicht mehr nachgehen, keine Auftritte mehr annehmen und auch als Diakon kann ich kaum noch tätig sein.
Nun bin ich selbst zur Untätigkeit gezwungen und merke,
dass ich mich in dieser passiven Rolle
ganz und gar nicht wohlfühle und auch wenn ich weiß,
wie sehr ich von Gott geliebt bin und wie wichtig mein Gebet
und die Verbindung meines Leidens mit dem Leiden Christi ist,
es fällt mir so wahnsinnig schwer, loszulassen.
In der Fastenzeit hat mich ein Buch von Henri Nouwen begleitet und mein Lebens-Bibel-Vers ist auch dort wieder aufgetaucht. Er schreibt:
Es ist wirklich so, dass das Erleiden in meinem Leben einen viel breiteren Raum einnimmt als das Tun. Das nicht wahrhaben zu wollen ist Selbstbetrug, und mein Erleiden nicht liebend hinnehmen zu wollen ist ein Nein zu mir selbst.
Ja, es ist so: Der größte Teil unseres Lebens sind wir nicht die handelnden,
sondern andere handeln an uns.
Diesen größten Teil dürfen wir nicht verachten,
sondern lernen, ihn anzunehmen. Aber diese Opferrolle passt uns nicht.
Wir lehnen uns dagegen auf.
Heißt das nun, ich soll nichts mehr tun gegen Missstände in unserer Welt,
keine Selbstbestimmung mehr –
ich soll in der Opferrolle verharren,
– Nein – Auf gar keinen Fall. Das habe ich nicht gesagt.
Das Gebet der Gelassenheit drückt es sehr gut aus:
Herr gib mir Kraft, Dinge zu verändern, die ich verändern kann, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann und gib mir Weisheit, das eine vom Anderen zu unterscheiden.
Ich kann kaum etwas gegen die Kriege auf der Welt tun, wenig gegen gesellschaftliche Missstände, ich persönlich kann auch wenig gegen meine Krankheit tun. Was ich tun kann, soll ich tun, aber ich muss hinnehmen, der größte Teil ist das erleiden, das Passive, die Hingabe.
Seit Ostern wissen wir:
In jedem Leiden ist die Auferstehung.
Passiv sein, ist ja auch häufig sehr positiv:
Letzten Sonntag erst sagte uns Pfr. Förster sinngemäß: Das Problem ist nicht die fehlende Barmherzigkeit Gottes, sondern dass wir seine Barmherzigkeit zu wenig annehmen.
Kannst du das?
Kannst du Geschenke annehmen?
Einfach nur annehmen, ohne was zurückzugeben?
Ein Lob einfach nur annehmen, ohne dich gleich wieder herunterzuspielen?
Vergebung annehmen?
Wie wunderbar ist es, dass wir in der Beichte direkt mit Vollmacht zugesagt bekommen:
Ich spreche dich los von deinen Sünden!
Nimmst du das auch an?
Vergibst du dir selbst.
Bist du dir bewusst, dass deine Schuld einfach ausgelöscht ist? Ohne dass du etwas tun musst?
Du bist erlöst!
Das hast du nicht verdient.
Aber es ist so!
Glaubst du das?
Kannst du das annehmen?
Christus hat für dich gelitten
und dich am Kreuz erlöst
und er verlangt
nichts,
nichts,
nichts
zurück – Du musst dieses Geschenk nur annehmen.
Nicht einmal die Gegenliebe verlangt er…
Die kommt von selbst,
wenn wir dieses Geschenk demütig annehmen.
Aber: Wir sind Menschen:
Wir wollen machen, machen, machen.
Hingabe,
Dankbarkeit,
Hilfe annehmen,
Geschehen lassen.
Gerade das fällt uns so wahnsinnig schwer.
Geschehen lassen, das ist aber der größte Teil unseres Lebens.
Geschehen lassen,
loslassen,
bedeutet Leben,
macht unser Leben aus,
diese Hingabe macht unseren Glauben aus.
Erst dann ist Ostern.
Kannst du die Liebe Gottes,
seine Vergebung,
seine Erlösung annehmen?
Meditation
Jesus, du hast dich hingegeben für uns.
Du hast dich gerade in unsere Hand gegeben.
Hingabe.
Jesus, ich will mich dir hingeben.
Mich in deine Hand geben.
Loslassen
Geschehen lassen
Let it be!
Mir geschehe – sagt Maria.
Dein Wille geschehe,
vielleicht die schwerste Bitte des Vaterunsers.
In deine Hände lege ich meinen Geist.
Lass mich deine Vergebung annehmen.
Deine Liebe annehmen
Auch mein unvermeidliches Leiden annehmen
und vereinen mit deinem Leiden
Deiner Hingabe
Denn ich weiß: darin ist Auferstehung
Darin ist Erlösung.